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Schuldschein: Sind Sie auf die nächste Krise vorbereitet?


Schuldscheinvertrag. Foto (c) Sascha Roeber

Die Liquidität bei Anlegern sprudelt nach wie vor wie ein unaufhaltsamer Strom. Solange die Niedrigzinspolitik der EZB anhält und die Banken weiterhin den negativen Einlagenzins von 0,4% mehr oder weniger ungebremst an die Einleger größerer Geldsummen weitergeben, wird der Schuldschein weiterhin eine beliebte Anlageform bleiben – auch wenn klar ist, dass das Transaktionsvolumen des laufenden Jahres nicht an das Niveau von 2017 heranreichen wird. Je nachdem, wo man nachliest, wird erwartet, dass 2018 insgesamt rund 20 Mrd. Euro an Investorenmitteln in Firmen-Schuldscheine lenken wird – und damit ca. ein gutes Viertel weniger als das Vorjahr. Das Marktvolumen ist im Vergleich zu anderen Assets (vor allem Anleihen) ohnehin einigermaßen überschaubar. Das liegt aber vor allem daran, dass Euro-Anleihen meist eine Transaktionsgröße von mehreren hundert Millionen Euro haben, und insofern kommt diese Assetklasse für den kleineren bis mittelgroßen Mittelstand ohnehin nicht in Frage. Dies ist einer der Hauptgründe, warum sich der Schuldschein in den letzten zehn Jahren zu einem so populären Mittel der Fremdkapitalbeschaffung entwickeln konnte.

Seit der weltweiten Finanzkrise der Jahre 2007/08 hat sich ab 2010 die deutsche Wirtschaft nachhaltig erholt. Während man in der Literatur von durchschnittlich sieben Jahre dauernden Wirtschaftszyklen spricht, befindet sich Deutschland bereits im neunten Jahr des Wirtschaftswachstums. Ein Boom, der über eine solch lange Periode – wenn auch damals mit deutlich höheren Wachstumsraten – nur in den Jahren des Wirtschaftswunders schon einmal vorkam. Aber auch Deutschland wird den nächsten Abschwung erleben. Wenn nicht im kommenden Jahr, dann vielleicht in zwei oder drei Jahren. Aber er wird kommen.

Die Laufzeiten der Schuldscheine betrugen anfangs oft nur drei Jahre. Aber mit dem sinkenden Zinsniveau auch am langen Ende der Kurve stiegen auch die Laufzeiten der Schuldschein-Tranchen, und zehn Jahre sind längst keine Seltenheit mehr. Der 10-Jahres-Midswap – also der Refinanzierungszinssatz, den die Banken neben ihrer risikoabhängigen Marge dem Schuldschein-Emittenten in Rechnung stellen - lag im September 2016 bei unter 30 Basispunkten. Auch wenn er derzeit bereits wieder bei über 80 Basispunkten notiert, kann man sich bei gegebener Bonität als Firma heute immer noch langfristig für wenig Geld verschulden.

Die gegebene Bonität ist dabei aber eben auch immer nur eine Momentaufnahme. Deutschland eilt von einem Export-Weltmeistertitel zum nächsten. Insofern ist also derzeit in der deutschen Wirtschaft noch alles in Butter. Aber wie bereits festgestellt: Der nächste Abschwung wird kommen, aber das Unternehmen wird dann möglicherweise noch mehrere Jahre an den Schuldscheinvertrag gebunden sein. Und wenn die Fremdmittel eines Unternehmens dann vor allem oder sogar ausschließlich in Form von Schuldscheinen eingeworben wurden, kann das ungeahnte Folgen haben. Für die verschuldeten Unternehmen, aber auch für die Investoren. Der Schuldschein konnte sich u.a. auch deshalb so stark verbreiten, weil es ein Produkt ist, das es auch Sparkassen und genossenschaftlichen Instituten (Volks- und Raiffeisenbanken) ermöglicht, in Firmen außerhalb der eigenen Region zu investieren. Diese Institute konnten somit dem früher streng einzuhaltenden Regionalprinzip entkommen und durch die oft von Landesbanken arrangierten Schuldschein-Transaktionen in Unternehmen investieren, die am anderen Ende Deutschlands ihren Sitz haben und mit denen sie sonst nie in Kontakt hätten kommen können. Dabei vertraut diese Investorengruppe auf die Bonitätsanalyse der Zentralinstitute, ohne die Schuldscheinemittenten jemals persönlich kennengelernt zu haben.

Einer der großen Vorteile eines Schuldscheins ist die sehr überschaubare Dokumentation. Nicht selten hat ein Vertragswert über ein Volumen von 100 Mio. Euro nur einen Umfang von 15 bis 20 Seiten. Das ist möglich, weil jeder Investor in einem bilateralen Rechtsverhältnis zum Schuldner steht, während zwischen den Schuldscheininvestoren untereinander kein Rechtsverhältnis zustande kommt und damit auch nicht geregelt werden muss – anders übrigens als beim Konsortialkredit. Während also die schlanke Dokumentation ein Hauptargument für den Schuldschein ist, kann sie auch zu seiner größten Schwachstelle werden. Geht es einem Unternehmen nämlich einmal nicht so gut und gewisse vertraglich vereinbarte Kennzahlen werden nicht erreicht (bspw. sinkt das operative Ergebnis im Verhältnis zur Gesamtleistung unter ein vereinbartes Niveau), steht dem Investor (Bank) möglicherweise ein Kündigungsrecht zu. Und zwar jedem einzelnen unabhängig von allen anderen. Selbst wenn der Schuldschein nur einen kleinen Teil der Gesamtfinanzierung eines Unternehmens ausmacht, kann dies dennoch dazu führen, dass alleine dieses Kündigungsrecht eines Schuldscheininvestors direkte Folgen für andere Finanzierungen desselben Unternehmens hat – und zwar über die sogenannte Cross-Default-Klausel („Drittverzug“). Diese wird sehr häufig vereinbart und dient den Fremdkapitalgebern als Schutz. Sie wollen nämlich nicht, dass eine andere Finanzierung gekündigt werden kann und vom Unternehmen bedient werden muss, ohne dass ihnen dasselbe Recht zusteht. Hat ein Unternehmen also bereits Kreditverträge mit solchen Klauseln abgeschlossen (egal, ob bilaterale Finanzierungen, Anleihen oder Konsortialkredite), kann auch schon ein vergleichsweise kleiner Schuldschein zu einem großen Problem für ganze Firmengruppen werden. Denn dann steht einem Kreditgeber eines anderen Kredits dasselbe Kündigungsrecht zu wie einem Schuldscheininvestor. Und das selbst dann, wenn sämtliche Bedingungen dieser anderen Finanzierung möglicherweise alle weiterhin eingehalten werden. Anders herum kann es genauso laufen: Der Schuldschein wird mit einer Cross-Default-Klausel abgeschlossen. Wenn eine andere Finanzierung dann in Schieflage gerät und einem Kreditgeber ein Kündigungsrecht zusteht, steht dieses nun auch allen einzelnen Investoren eines Schuldscheins zu.

Es gilt also, darauf zu achten, welche Klauseln man in seinen Kreditverträgen unterschreibt. Eine Möglichkeit, das obige Problem zu umgehen oder zumindest zu entschärfen, ist die sog. Cross-Acceleration-Klausel. Denn anders als beim Cross Default steht dem Kreditgeber eines Kredits mit Cross Acceleration erst dann ein Kündigungsrecht zu, wenn eine andere Finanzierung tatsächlich bereits fällig gestellt wurde.

Als weitere Risikobegrenzung kann man einen Mindestbetrag definieren, der erreicht sein muss, bis ein Kreditgeber eine dieser beiden Klauseln nutzen kann.

Ebenfalls möglich wäre, ein sog. Quorum im Schuldscheinvertrag einzubauen. Eine solche Regelung, die bisher meist in Konsortialkreditverträgen und regelmäßig in Anleiheverträgen enthalten ist, erfordert eine für alle Kreditgeber bindende Mehrheitsentscheidung (bspw. Zwei-Drittel-Mehrheit), ob ein Kredit zur Rückzahlung fällig gestellt werden soll oder ggf. Vertragsanpassungen vom Kreditnehmer eingefordert werden sollen (z.B. ein Verstärkung der Kreditsicherheiten).

Cross Default ist bei Schuldscheinverträgen als Standardklausel längst übliche Praxis. Die Vereinbarung einer Cross-Acceleration-Klausel hingegen noch nicht, ebenso wenig wie Mindestbeträge oder Quoren. Es sollte also im Interesse eines jeden Schuldscheinemittenten liegen, solche Klauseln mit den Schuldschein-Arrangern zu vereinbaren. Vor allem Unternehmen, bei denen der Eintritt eines Kündigungsgrundes noch nie vorkam und die auch sonst dafür bekannt sind, eingegangene Klauseln eines Finanzierungsvertrages immer einzuhalten, haben prinzipiell eine gute Ausgangsbasis für solche Verhandlungen.

Zu Regelungen, die das Verhältnis der Schuldscheininvestoren untereinander regeln, wird es hingegen wohl kaum kommen. Denn das macht das Produkt Schuldschein aufgrund des deutlich höheren Dokumentationsaufwandes für die Investoren unattraktiv. Hier wäre dann eher ein Konsortialkredit zu empfehlen, der dies standardmäßig vorsieht. Der kostet dann allerdings deutlich mehr.

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