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Dobrindt, der Meisterstümper: Elektromobilitätsgesetz kommt

Von Sascha Röber

Bald ein Jahr lang hat CSU-Mann Dobrindt als zuständiger Verkehrsminister an seinem Elektromobilitätsgesetz gebastelt, das Kabinett hatte den Entwurf im September 2014 bereits abgesegnet, nun hat ihn auch der Verkehrsausschuss des Bundestags letzte Woche ohne große Änderungen abgenickt. Was nun nach Monaten der Erörterungen dabei herausgekommen ist, ist jedoch äußerst dürftig.

Gleich nach Bekanntwerden des ersten Entwurfs Ende Juli des vergangenen Jahres machte sich Enttäuschung breit. Nachdem die Bundesregierung bereits mehrfach bekräftigt hatte, keine direkten monetären Anreize wie Kaufpreiszuschüsse oder zusätzliche steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten einführen zu wollen, hatte man zumindest auf ein wegweisendes Gesetz zur Förderung der Elektromobilität gehofft. Schließlich hatte die Kanzlerin zu jeder sich bietenden Gelegenheit verkündet, durch eine zielgerichtete Gesetzgebung bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen.

Die Realität sieht bislang wie folgt aus: Per Stichtag 1. Januar 2015 meldete das Kraftfahrtbundesamt genau 18.948 Elektrofahrzeuge und 107.754 Hybride. Insgesamt also ein Marktanteil von gerade mal 0,4%. Und das, obwohl 2014 die Zuwachsraten bei Hybriden bei 25,9% und bei reinen Elektrofahrzeugen bei 55,9% lagen.

Das nun beschlossene Elektromobilitätsgesetz (EMoG) wird in seiner jetzigen Form kaum dazu beitragen, die Zulassungszuwächse für (teilweise) elektrisch betriebene Fahrzeuge deutlich zu verstärken, denn das Gesetz ist voller Schwächen und könnte unter Umständen sogar dazu führen, die Akzeptanz für die Stromer negativ zu beeinträchten.

Kein Primat der Elektromobilität

Die sich in den vergangenen fünf Jahren rasant entwickelnden Technologien in der Elektromobilität werden lediglich als Ergänzung des vorherrschenden motorisierten Individualverkehrs gesehen. Damit jedoch erfährt die elektrische motorisierte Fortbewegung noch nicht einmal eine Gleichstellung zur fossilen Betriebsart herkömmlicher Motorisierung. Insofern wird hier die Chance vertan, dem elektrisch betriebenen Individualverkehr die ihm aller Voraussicht nach künftig zukommenden Bedeutung schon heute zuzugestehen. Dies hätte eine nicht zu unterschätzende Signalwirkung gehabt.

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EMoG nur Grundlage. Uneinheitlichkeit vorprogrammiert

Das EMog bildet lediglich eine bundesweite Ermächtigungsgrundlage. Will heißen, dass Kommunen künftig die Möglichkeit eingeräumt wird, Teile des öffentlichen Verkehrsraumes als für Elektrofahrzeuge bevorzugt auszuweisen. Darunter fallen vor allem

  • Gesonderte, ggf. kostenfreie Parkflächen

  • Benutzung von Sonderfahrspuren, die für Taxen und Busse ausgewiesen sind sowie

  • die Reservierung von Parkplätzen vor Elektroladesäulen.

Das wird heiter werden: In jeder Gemeinde wird es also künftig unterschiedliche und uneinheitlich gestaltete Sonderregelungen für Elektro- und Hybridfahrzeuge geben. Nur die bundeseinheitlich geregelten Verkehrszeichen werden eine gewisse Orientierung bieten können.

Während ein kostenloser Parkplatz dem Besitzer eines Elektromobils gefallen dürfte, wird spätestens dann, wenn ein Elektrofahrzeug aus welchen Gründen auch immer auf einer Busspur liegenbleibt, der Unmut hierüber laut werden. Hinzu kommt, dass Busse und Taxen ihre eigenen Ampelsysteme haben, ein Kundigkeitsnachweis für Fahrer von bevorrechtigten Elektrofahrzeugen jedoch im Gesetzestext nicht vorgeschrieben wird.

Das einzig sinnvolle und durchdachte Element ist letztlich die Reservierung von Parkplätzen vor Elektroladesäulen, die bislang nicht möglich war.

Zu geringe rein elektrische Fahrleistung

Zumindest der ursprüngliche Vorschlag Dobrindts, die Mindestentfernung, die ein Hybrid- oder Elektrofahrzeug rein elektrisch zurücklegen können muss, wurde von 30 auf 40 km erhöht – ein kleiner Fortschritt, der allerdings erst ab 1. Januar 2018 greift. Bis dahin gelten Dobrindts ursprüngliche 30 km. Damit werden die Bevorrechtigungen ab Einführung des EMoG auch schweren (Plug-In-)Hybridfahrzeugen zuteil, die nach eigenen Werksangaben diese Mindestgrenze erreichen (z. B. der Porsche Panamera S E- Hybrid, , dessen rein elektrische Reichweite vom Herstelelr mit 36 km angegeben wird). Man kann sich vorstellen, dass so ein dickes Luxusfahrzeug, das den silbrig glänzenden Schriftzug „Hybrid“ auf dem Kofferraumdeckel trägt und den Parkplatz vor der Ladesäule für Elektromobile verstopft, weder in der allgemeinen Bevölkerung noch bei Fahrern reiner Elektrofahrzeuge für Begeisterung sorgen wird. So kann besagter Porsche Panamera in der Hybridversion problemlos deutlich über 10 Liter Superbenzin auf 100 km verbrauchen und trotzdem in manchen Kommunen künftig die für Busse gebauten Sonderspuren benutzen. Und das, obwohl der Anwendungsbereich des EMoG den Fahrzeugen, die der Elektromobilität zugerechnet werden, die bevorrechtigte Teilnahme am Straßenverkehr ermöglichen soll, „um deren Verwendung zur Verringerung insbesondere klima- und umweltschädlicher Auswirkungen des motorisierten Individualverkehrs zu fördern.“ Gerade diese lasche Anforderung an die rein elektrische Reichweite wird den Eindruck verstärken, dass sich die Elektromobilität nur wieder die Betuchten und Superreichen leisten können.

Ohne jeglichen Weitblick

Das EMoG ist neben seiner wenig durchdachten Struktur vor allem aber deshalb zu kritisieren, weil es über keinerlei strategischen Weitblick verfügt.

So wurde beispielsweise versäumt, den Zwang von Fahrgemeinschaften als Voraussetzung für die Nutzung von Bus- und Taxispuren einzuführen. Dies hätte dazu führen können, diese Privilegien mit wirklichem Mehrwert für die Allgemeinheit auszugestalten. Schon seit den 1970er Jahren gibt es in manchen US-Bundesstaaten sogenannte Carpool Lanes, das sind Sonderspuren auf Autobahnen, die nur von Fahrzeugen benutzt werden dürfen, in denen mindestens zwei Insassen sitzen. Zu einer allgemeinen Reduktion des Verkehrsaufkommens im innerstädtischen Raum ist das EMoG also ungeeignet.

Die Heraufsetzung der elektrischen Mindestreichweite von zunächst 30 auf dann 40 km (ab 2018) bildet keinen deutlichen Anreiz für Autohersteller, die rein elektrische Reichweite bei Hybridfahrzeugen möglichst rasch und deutlich zu erhöhen. Denn wenn diese steigt, verringert sich auch der CO2-Ausstoß der Herstellerflotten im allgemeinen und der Hybridfahrzeuge im besonderen. Und das, obwohl doch die „Verringerung insbesondere klima- und umweltschädlicher Auswirkungen“ ausdrücklich im Gesetzestext verankert sein wird.

Zuletzt bringt das EMoG auch keine gezielten Kaufanreize. Der Großteil der Elektrofahrzeuge befindet sich in gewerblichen Fahrzeugflotten. Private E-Auto-Besitzer sind seit jeher in der Minderheit. Da jedoch gerade die nach wie vor spritdurstige mittlere Oberklasse wie bspw. Audi A6, Mercedes-Benz E-Klasse oder BMW 5er durch eine gezielte steuerliche Förderung von E-Mobilen verdrängt werden könnte, hätten Sonderabschreibungen – wie von den Grünen gefordert – deutliche Kaufsignale geben können. Auch diese Chance ist bis auf weiteres vertan.

Und nicht zuletzt behandelt das EMoG das entscheidende Element der Ladeinfrastruktur überhaupt nicht. So wird einfach darauf gesetzt, dass sich Elektrizitätsunternehmen oder Fahrzeughersteller um den Aufbau dieser Systemkomponente kümmern werden. Dies geschieht zwar bereits, hat aber unter anderem den unschönen Nebeneffekt, dass es schon heute zum Aufbau unterschiedlicher, teils proprietärer Ladeinfrastrukturen kommt. Und diese Infrastruktur konzentriert sich bislang fast ausschließlich auf autobahnnahe Standorte, während innerstädtisch meist sporadisch verteilte Ladesäulen der lokalen Stromanbieter zu finden sind – und das auch nur in Ballungsgebieten. In Kleinstädten und auf dem Land sucht man Elektrotankstellen bislang vergeblich. Auch hier verpasst die Regierung eine wichtige Chance, der Elektromobilität durch Wegweisung den Weg zu ebenen.

Die Elektromobilität wird sich durchsetzen – trotz EMoG

Wenn das EMoG nicht bald deutlich verbessert wird – und nun soll es ja dieses Frühjahr erst einmal so wie letzte Woche beschlossen eingeführt werden -, wird es kaum bis gar keine Anreize bieten, auf Elektromobilität umzusteigen. Und trotzdem wird sich die Elektromobilität durchsetzen. Bislang besteht der einzige Anreiz in einer Steuerbefreiung von zehn Jahren für Elektrofahrzeuge, wenn diese zwischen dem 18. Mai 2011 und dem 31. Dezember 2015 bzw. von fünf Jahren, wenn diese zwischen 1. Januar 2016 und 31. Dezember 2020 zugelassen wurden / werden. Bei einem Anschaffungspreis von ca. EUR 40.000,-- für einen e-Golf von VW sind gerade einmal 0,15% jährlich (Vergleich: Golf mit 1,2-Liter-TSI-Motor mit 113g CO2/km). Ganz sicher kein Kaufanreiz. Stattdessen setzt sich die Elektromobilität aufgrund ihrer eigenen Stärken durch und wird möglicherweise trotz des EMoG in seiner nun geplanten Fassung die Eine-Million-Grenze bis 2020 erreichen.

Wie oben geschrieben, betrug der Zuwachs bei reinen Elektro- bzw. Hybridfahrzeugen von 2014 im Vergleich zu 2013 55,9% bzw. 25,9%. Schreibt man diese Zuwachsraten unverändert bis ins Jahr 2020 fort, erreicht man schon ohne jegliche weitere regulatorische Anreize einen Fahrzeugbestand von ca. 700.000 Fahrzeugen.

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Berechnung: eigene

Bei ansonsten konstantem Gesamtfahrzeugbestand von 60,4 Mio. per 1. Januar 2015 (Quelle: KBA) könnte sich somit der Anteil der rein elektrisch und hybrid betriebenen Fahrzeuge im Vergleich zu heute auf 1,16% verdreifachen. Allerdings ist zu erwarten, dass die Zahl bis 2020 deutlich höher ausfallen dürfte.

Die bisherige relative Zurückhaltung der Käufer von Elektroautos beruht vor allem auf einem komparativen Kostennachteil sowie der noch als zu gering empfundenen Reichweite einerseits und der derzeit noch nicht ausreichend vorhandenen Ladeinfrastruktur andererseits. Aber das dürfte sich in absehbarer Zukunft deutlich ändern.

Die hohen Zusatzkosten ergeben sich sowohl aus den noch niedrigen Stückzahlen der Hersteller (mit entsprechend geringer Fixkostendegression) gepaart mit den bislang noch recht hohen Preisen für leistungsfähige Fahrzeugbatterien. Diese aber sind kontinuierlich gesunken: So spricht der Batterieexperte Prof. Dirk Uwe Sauer von der RWTH Aachen davon, dass der Batteriepreis pro kWh innerhalb weniger Jahre von 800€ auf mittlerweile (Dez. 2013) nur noch 200€ gesunken sei (Quelle: ecomento.tv). Und der Trend dürfte weitergehen. Nicht umsonst investieren Firmen wie Tesla in riesige Batteriefabriken, um den erwarteten Bedarf mit kostengünstigen Komponenten decken zu können. Auch die Reichweite erhöht sich kontinuierlich. Auch hier ist Tesla Vorreiter: Das Model S in der Ausführung P85 kommt mit einer Ladung deutlich über 400 km weit. Die durchschnittliche tägliche Fahrentfernung liegt in Deutschland hingegen deutlich darunter. Hier ist – gerade bei diesem Hersteller in Verbindung mit der Supercharger genannten bundesweit im Aufbau befindlichen Ladeinfrastruktur – bereits heute eine zum Benziner vergleichbare Alltagstauglichkeit gegeben.

Aber auch andere Hersteller verzeichnen deutliche Erfolge bei der Erhöhung der Reichweiten ihrer Elektromobile. Liegenbleigen muss freilich längst niemand mehr mit einem Elektrofahrzeug. Verschiedene Hersteller (Opel: Ampera, BMW: i3) bieten sog. Range Extender an, die bei leeren Akkus einen kleinen Hilfs-Benzinmotor zuschalten, der gewährleistet, dass man sicher zur nächsten Ladesäule gelangen kann. Aber auch die Ladesäulen werden künftig einheitlich ausgestattet sein. Die EU-Kommission hat nämlich bereits 2013 den Ladestecker „Typ 2“ verbindlich für öffentliche Ladesäulen vorgeschrieben, und zwar ab 2017/18. Eine Unsicherheit, ob ein Fahrer den richtigen Stecker an Bord hat, erledigt sich also spätestens dann. Alle heute neu auf den Markt gebrachten Elektrofahrzeuge verfügen mittlerweile über eine damit kompatible Ladetechnik. Der Vorteil: Typ 2 kann im Wechselstrombetrieb nicht nur Fahrzeugbatterien aufladen, sondern die Batterien können über diesen Steckertyp auch Ladung wieder abgeben. Das könnte künftig eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem sogenannten Smart Grid (intelligentes Stromnetz) spielen.

Fazit

Mal ganz ehrlich: 1 Mio. Fahrzeuge bis 2020 auf deutschen Straßen wäre ein Anteil von deutlich unter 2% des Gesamt-KFZ-Bestandes. Damit hat Merkel alles andere als visionäre Kraft bewiesen. Die Vermeidung von CO2 vor allem durch den Individualverkehr sollte eine deutlich höhere Priorität haben. Im Zusammenhang mit einer konsequenten Verfolgung der Energiewende und einer gezielten Förderung der Elektromobilität ließe sich ein weitaus höherer Anteil dieser Zukunftstechnologie und eine viel stärkere CO2-Vermeidung in den kommenden fünf Jahren erzielen. Die Große Koalition hat zumindest beim EMoG klar versagt, auch auf absehbare Zeit werden deutsche Hersteller keine Vorreiter bei der Elektromobilität sein. Das EMog wird stattdessen dazu führen, dass amerikanische, französische und japanische Hersteller in ihren Heimatmärkten durch die dort bestehenden Förderungsregimes weiter an Boden gewinnen. Auch wenn der Typ 2 Ladestecker von einem deutschen Unternehmen entwickelt wurde: Das große Geld wird in der Elektromobilität aller Voraussicht nach im Ausland verdient.

Foto: (c) Sascha Röber

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