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Elektromobilität: Die unterschätzte Gefahr (Teil 2)

Lesen Sie hier Teil 1.

Neue Marketing-Konzepte braucht die Elektromobilität

Jeder, der mit seinem Elektroauto an einer Tankstelle vorbeifährt und, statt Sprit in den Tank zu füllen, zuhause in der Tiefgarage den Stecker in die Steckdose steckt, um den Wagen mit zertifiziertem Grünstrom oder selbst generiertem PV-Strom zu „betanken“, merkt ganz automatisch: Die Elektromobilität stellt zahlreiche alteingesessene Geschäftsmodelle in Frage. Die Tankstelle ist nur eines davon. Dort findet sich nämlich keine Möglichkeit, ein Elektroauto mit Strom zu laden. Stattdessen lädt man auf längeren Strecken längst an einer öffentlichen oder privat betriebenen Ladesäule die Akkus auf – und fährt an der Tanke vorbei. Schon heute gibt es tausende von Ladestationen, und täglich werden es mehr. Diverse Internet-Anbieter (wie z. B. goingelectric.de oder e-tankstellen-finder.com) erweitern täglich ihre Verzeichnisse. Dabei fällt auf, dass bei der Ladeinfrastruktur auch zahlreiche private Anbieter anderen E-Mobilisten Zugang zu ihren auf eigene Kosten installierten Ladestationen gewähren – und das nicht selten sogar völlig kostenlos. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass Elektromobilität zur Zeit noch ein sehr idealistisch besetztes Thema ist, bei dem das Ziel ihrer Verbreitung im Vordergrund steht.

Und genau das müsste die Autoindustrie eigentlich nutzen. Das Thema Elektromobilität ist derzeit noch keines, das von der autofahrenden Bevölkerung in ökonomischen Kategorien betrachtet wird. Es ist – noch – vor allem emotional besetzt. Es gilt als ökologisch, elektrisch zu fahren, als zukunftsorientiert und hip, als ressourcenschonend und zeitgeistgemäß. Gutmenschen nennen sie die Zyniker, early adopters die Ökonomen und Produktmanager. Für dieses Hipsein sind diese Autofahrer in gewissem Umfang bereit, den höheren Preis zu bezahlen, den das Elektroauto mehr kostet als ein Wagen mit fossilem Antrieb. Dieser Preisunterschied macht die meisten Elektroautos tatsächlich zu einem Premiumprodukt. Aber wo genau liegt das Problem? Apple verkauft seit Jahren 40 bis 50 Millionen iPhones pro Quartal |http://owl.li/S922O| und hat sogar 2007 mit diesem Produkt das völlig neue Marktsegment der Smartphones geschaffen. Ähnliches gelingt der Autoindustrie offensichtlich bei den Elektroautos bislang nicht.

Smartphones aller Hersteller waren anfangs eindeutig Premiumprodukte. Heute, acht Jahre nach deren Markteinführung, gibt es sie in sämtlichen Preiskategorien. Die Elektromobilität hingegen befindet sich noch bei weitem nicht in einem solch reifen Entwicklungsstadium. Elektrofahrzeuge sind nach wie vor Premium. Selbst ein eUp von Volkswagen, ein Kleinstwagen mit unterhalb des VW Polo, kostet in seiner nackten Grundausstattung fast € 27.000,--, während das gleiche Modell mit einem Verbrennungsmotor für gerade einmal € 9.000,-- verkauft wird. Und trotz dieses gewaltigen Preisunterschieds gibt es in der Elektrovariante lediglich einen Akku mit einer Nennkapazität von unter 19 kWh. Aber schließlich wurde das erste iPhone auch nur mit lächerlichen 4 GB internem Speicher ausgeliefert, während man heute im aktuellen Modell schon 128 GB bekommen kann. Doch das Smartphone hat über die Jahre die Nutzer von seinen Vorteilen ganz klar überzeugt. Heute ist es aus dem Alltag vieler Menschen gar nicht mehr wegzudenken. Und genau so muss es auch das Elektroauto fertigbringen, die Menschen zu überzeugen. Ganz richtig schrieb das Manager Magazin kürzlich: „Das E-Auto muss zum neuen SUV werden“ |http://owl.li/S936e|. Kaum jemand, der einen BMW X5 oder eine Mercedes M-Klasse fährt, wird die Offroad-Möglichkeiten dieser Fahrzeuge jemals nutzen. Trotzdem gehen diese automobilen Monster seit ca. 15 Jahren weg wie warme Semmeln. Und das, obwohl sie im Vergleich zu Limousinen oder Kombis deutlich teurer sind und auch noch einiges mehr an Kraftstoff verbrauchen. Es ist der Automobilindustrie also offensichtlich nicht unmöglich, die Nachfrage nach einem neuen Produkt zu generieren und hochpreisige Premiumsegmente zu schaffen. Und genau hier liegt der Ansatzpunkt.

Das Elektroauto wird noch eine Zeitlang ein Premiumprodukt bleiben. Das hat vielerlei Gründe. Ein gewichtiger ist sicherlich die bislang geringe Stückzahl pro E-Auto-Modell, das eine Fixkostendegression und Skaleneffekte noch nicht zulässt. Aber dann sollte man diesen komparativen Nachteil entschärfen, indem man die zahlreichen Vorteile eines Elektroautos in das Zentrum der Vertriebsaktivitäten rückt. Und der Vorteile gibt es viele, wie zum Beispiel:

  1. Fahrspaß. Ja, ähnlich wie jahrzehntelang dem Diesel sagt man heute Elektroautos immer noch nach, sie seien lahme Enten. Träge und etwas für ältere Herrschaften. Das Gegenteil ist der Fall. Ein BMW i3 beschleunigt in gerade einmal 7,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h, während man dafür mit einem aktuellen BMW 116d 10,3 Sekunden benötigt. Die elektrische Leistung liegt nämlich, anders als bei einem herkömmlichen Benzin- oder Dieselmotor, ab der ersten Umdrehung am Rad. an Man hat im Elektromobil also sofort die volle Leistung zur Verfügung.

  2. Alltagstauglichkeit (Reichweite). „Feldstudien von Hochschulen und Forschungseinrichtungen belegen, dass die Reichweite eines Elektrofahrzeuges für etwa 90 Prozent aller geplanten Fahrten ausreichend ist“. Das liegt daran, dass die durchschnittliche Tagesfahrleistung eines PKW in Deutschland bei 22 km liegt | http://owl.li/S94YK|. Und selbst längere Fahrten sind mittlerweile problemlos möglich, da sich die Anzahl der Ladestationen täglich erhöht – und das ganz ohne staatliches Zutun und vor allem durch die Initiative von Unternehmen oder engagierten Privatleuten. Aber gerade bei der Reichweite macht der US-Hersteller Tesla allen anderen Herstellern vor, wie es auch gehen kann: Durch sein mittlerweile weltweit 2.000 Ladestationen umfassendes „SuperCharger“ genanntes Ladenetzwerk. Reichweitenangst kennen Tesla-Fahrer nicht.

  3. Umweltfreundlichkeit. Spricht man mit Elektrofahrzeugen nun also zunächst bewusst Premiumkäufer an, kann man durchaus auch die Photovoltaik-Anlage auf den Hausdächern dieser Kundschaft hinweisen und diese saubere Form der Stromerzeugung für das Elektroauto in das Gesamtkonzept mit einbeziehen. Selbst Otto Normalverbraucher kann sein Gewissen damit beruhigen, einen Ökostromtarif gebucht zu haben, der durch die Steckdose in der Garage in das Elektroauto gespeist werden kann.

  4. Wirtschaftlichkeit. Ja, den erhöhten Kaufpreis wird man nur in wenigen Fällen über die viel geringeren Betriebskosten wieder reinbekommen. (Unmöglich ist dies allerdings nicht, wie Unternehmer Michael Willberg in einem Beitrag aufzeigt |http://owl.li/S96Ai|.) Dass diese Betriebskosten jedoch massiv geringer ausfallen als bei herkömmlichen Autos, scheint derzeit selbst bei Premiumkäufern noch nicht angekommen zu sein. Schon alleine die Tatsache, dass ein Elektroauto nur einen Bruchteil der mechanischen Komponenten seines fossilen Pendants aufweist, verringert die Wartungs- und Reparaturkosten erheblich.

Diese sich aus den Elektroautos selbst Vorteile müssen nun noch geschickt mit den sich abzeichnenden Vorteilen im öffentlichen Raum kombiniert werden. Im Sommer 2015 verabschiedete der Bundestag das Elektromobilitätsgesetz (EMoG). Obwohl es in seiner ersten Variante noch deutliche Unzulänglichkeiten aufweist (siehe meinen Artikel hierzu - http://goo.gl/B1Hjyi) und stark verbesserungswürdig ist, sollten die darin nun bereits ermöglichten Privilegien, wie bspw. das kostenfreie Parken oder das bevorrechtigte Benutzen von Bus- und Taxispuren oder auch die steuerlich nicht anzurechnende Nutzung dienstlicher Ladesäulen, als weitere Vorteile für diese Fahrzeugkategorie in den (werbenden) Vordergrund gestellt werden.

Gleichzeitig muss natürlich auf politischer Ebene daran gearbeitet werden, die öffentliche Ladeinfrastruktur sowie die durch eine neue Version des EMoG gewährten Privilegien weiter auszubauen.

Lesen Sie morgen Teil 3.

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