Elektromobilität: Die unterschätzte Gefahr (Teil 1)
Wie Deutschlands Autobauer ihre eigene Zukunft verspielen
Kürzlich kündigte Elon Musk, Gründer von PayPal und seit fast zwölf Jahren CEO von Tesla Motors, das Upgrade für den Tesla Roadster an und sagte, dieses werde in Kürze in den Verkauf gehen. Das Upgrade werde die Reichweite des Roadsters von um ca. 35% auf fast 650 km pro Akkuladung erhöhen. Hierfür seien neben einer stärkeren Batterie (70 kWh) leichte Modifizierungen der Karosserie und widerstandsärmere Reifen erforderlich.
Der Tesla Roadster war das erste Serienfahrzeug von Tesla Motors und wurde von 2008 bis 2012 gebaut. Und nun, drei Jahre nach Ende der Fertigung, gibt es ein Upgrade.
So etwas gab es noch nie. Bei keinem Autohersteller der Welt. „Sobald ein Automodell ausgelaufen ist, kümmern sich die Hersteller (...) nur noch um Garantiefälle, Reparaturen und – falls erforderlich – Rückrufaktionen. Verbesserungen oder eine Aufrüstung der Fahrzeugausstattung bleiben den Besitzern und Zubehörhändlern überlassen“ |http://owl.li/S8Opq|.
Der Tesla Roadster wurde in seiner Produktionszeit nur knapp 2.500 Mal gebaut. Er blieb ein Exot und war eher ein in Kleinserie gefertigter Prototyp. Das Interesse an diesem Upgrade ist also auf eine winzig kleine Gruppe von Autoeigentümern begrenzt. Und dennoch: Es ist ein Menetekel für die etablierten Autobauer und der Startschuss für eine sich ankündigende Revolution im Automobilbau.
Wer heute noch glaubt, die Elektromobilität werde eine Nischentechnologie bleiben, wird schon bald eines Besseren belehrt werden. Die Antriebstechnik für Elektrofahrzeuge ist längst ausgereift, und die Reichweite von Elektrofahrzeugen reicht schon heute teilweise an herkömmlich angetriebene Autos heran.
Warum die Elektromobilität in Deutschland, dem in aller Welt bekannten Land der Energiewende, allerdings nach wie vor ein jämmerliches Schattendasein fristet, hat handfeste Gründe.
Elektromobilität: Schattendasein im Land der Energiewende
Eine Million Elektrofahrzeuge sollen bis 2020 auf Deutschlands Straßen rollen, so Angela Merkels 2009 erstmals formulierter und seither gebetsmühlenartig wiederholter frommer Wunsch. Mittlerweile steht allerdings fest: Das Ziel wird weit verfehlt werden. Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes belief sich der Bestand an Hybrid- und reinen Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen per 1. Januar 2015 auf lediglich 126.702 Fahrzeuge |http://owl.li/S8Qsd|, also einem guten Zehntel des für 2020 ausgerufenen Ziels. Und der Misserfolg ist hausgemacht.
In einem Interview des Wall Street Journal sagte Porsche-Chef Matthias Müller im Juli, er wisse nichts von Tesla – außer, dass diese Firma nach wie vor Verluste einfahre |http://owl.li/S8PxY|. Kein Wunder also, dass Porsche derzeit lediglich für zwei von insgesamt sieben Modellreihen einen Hybridantrieb (rein elektrische Reichweite lächerliche 30 km) anbietet. Vollelektrische Modelle sind bei Porsche nach wie vor nicht im Angebot. Bei Audi das gleiche Bild: Lediglich ein A3 als sog. eTron-Modell kann als Hybrid erworben werden, während Audi jedoch Geld dafür lockermacht, einen Rover im Rahmen eines Wettbewerbs für eine Reise zum Mond fit zu machen...
Mercedes Benz bietet der Kundschaft neben ein paar Plug-In-Hybriden immerhin ein einziges Modell mit vollelektrischem Antrieb an (B-Klasse Electric Drive), auch Volkswagen verkauft einen elektrischen Golf sowie den Kleinstwagen eUp. Den Verkauf des E-Smart hat die Daimler-Tochter allerdings kürzlich gestoppt.
Das Forum, auf dem sich Regierung und Autohersteller seit nun gut fünf Jahren zum Thema Elektromobilität austauscht, nennt sich Nationale Plattform Elektromobilität. Das dort formulierte Ziel, eben die eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020 auf deutsche Straßen zu bekommen, erkennt vor allem an, dass Elektromobilität „Klima, Umwelt und Ressourcen“ schont, technologische Innovationen fördert und neue Geschäftsmodelle ermöglicht |http://owl.li/S8R84|. Man redet dort viel miteinander, aber offensichtlich versteht man sich nicht wirklich. Die Autoindustrie bekräftigt nach jedem ein Mal im Jahr stattfindenden E-Mobilitäts-Gipfel ihre Forderung nach weiteren Subventionen und Förderungen, so auch wieder im Sommer 2015. Dabei waren allein im Zeitraum 2009 bis 2013 bereits staatliche Förderungen in Höhe von über € 1,6 Mrd. geflossen |http://owl.li/S8Rqh|, und seither dürfte diese Zahl weiter deutlich gestiegen sein. Aktuell „unterstützt die Regierung schon mehr als 100 Projekte, vor allem in der Forschung und Entwicklung“ |http://owl.li/S8Rti|. Kein Wunder also, dass Merkel auf der Abschluss-Pressekonferenz lediglich sagte: „Wir werden uns Mühe geben.“
Und so bleibt es wohl auch in absehbarer Zeit die alte Leier: Solange die Regierung keine massiven Anreize gewährt, wird das mit der Elektromobilität auf breiter Basis in Deutschland nichts. Es wird viel lamentiert, abgewartet, und der schwarze Peter wird von links nach rechts geschoben. Ein aktives Gestalten, ja, sogar ein bloßes Mitmischen bei der größten Revolution, die die Automobilbranche seit ihrer Entstehung gerade erlebt, sieht allerdings anders aus. Statt konsequent Kompetenzen auf dem Feld der Elektromobilität zu erlangen und sich einen Marktvorsprung zu sichern, fällt den deutschen Herstellern nur der Ruf nach neuen staatlichen Subventionen ein. Währenddessen wird weiter an kleinen Detailverbesserungen der fossil betriebenen Fahrzeugflotte getüftelt. Hier etwas Gewichtsreduktion, um den Spritverbrauch um einen Viertelliter zu senken, dort eine noch ausgefeiltere Getriebetechnik, garniert mit ein paar elektrischen Fahrassistenzsystemen.
Aber die Innovationen liegen künftig auf komplett anderen Feldern.
Lesen Sie morgen Teil 2 des Beitrags.
Foto: (c) Sascha Röber