Wertewandel & WWW: Führungsverantwortung im Wandel der Zeiten
Der folgende Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung der Autorin übernommen. Der Originalbeitrag befindet sich auf dem Experteer.de-Blog (Link).
Die Anforderungen an Führungskräfte haben sich in den vergangenen 20 Jahren drastisch verändert. Der graumelierte Herr im maßgeschneiderten Anzug, der in seinem Büro thront und einsam die Strippen zieht, hat längst ausgedient. Technische Errungenschaften wie Internet, Mobile & Co. erfordern neue Qualifikationen; gesellschaftliche Wandlungsprozesse und eine veränderte Arbeitnehmermentalität verlangen nach einem veränderten Führungsstil.
Doch wie genau haben sich die Anforderungen an Führungskräfte in den letzten Jahren verändert und: was kann die Führungskraft von heute daraus lernen? Im Rahmen einer Kooperation zum Thema „Anforderungen an die moderne Führungskraft“ mit dem Portal Managerfragen.org haben wir unsere Frage an hochrangige Manager herangetragen. Dr. Jörg Böttcher von der HSH Nordbank AG und Sascha Röber von der Schön Klinik SE legen ihre Sicht der Dinge für Sie dar und erklären, wie sich Führungsverantwortung im Wandel der Zeiten entwickelt hat – und worauf Sie als aufstrebender Executive achten sollten.
Erst trat der Computer seinen Siegeszug in unserem Alltag an. Dann waren plötzlich alle „drin“ im World Wide Web – auch Tennislegende Boris Becker, der mit einer AOL-Kampagne in Deutschland das Zeitalter des „High-Speed-Internets“ einläutete. Das ist nun 16 Jahre her. Seither hat sich nicht nur die westliche Gesellschaft, sondern auch unsere Arbeitswelt immer schneller verändert. Das Stichwort lautet Geschwindigkeit, Tempo. Ständige Erreichbarkeit und Vernetzung spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Auch die Anforderungen an Führungskräfte haben sich im Zuge dieser Entwicklungen gewandelt.
Dafür machen die Spitzenmanager Dr. Jörg Böttcher und Sascha Röber zwei zentrale Trends verantwortlich: Durch die zunehmende (auch mobile) Vernetzung hätten sich die Arbeitsprozesse in Unternehmen beschleunigt, sagt Böttcher. Zunächst waren es die Emails, seit einigen Jahren auch die Möglichkeit, jederzeit und überall auf seinen Arbeitsplatz zuzugreifen. Röber hat Ähnliches beobachtet: „Die Kommunikationsdichte ist in den letzten Jahren massiv gestiegen, die Breite der Aufgaben hat sich damit entsprechend erhöht, und insgesamt wird den Mitarbeitern eine deutlich höhere Stressresistenz abverlangt. Umstrukturierungen gehören zum Arbeitsalltag genauso wie neue Technologien und deren Möglichkeiten. Mit diesen gewachsenen Anforderungen klarzukommen, ist Grundvoraussetzung für das Bewältigen aller beruflichen Aufgaben.“ Ein weiterer Trend liege in einem Wertewandel in der Gesellschaft. Der Beruf werde zwar noch immer als wesentlicher, jedoch nicht zwangsläufig als der wichtigste Bestandteil des Lebens angesehen, erklärt Böttcher.
Dieser Perspektivänderung kann auch die zunehmende Bedeutung von Sabbaticals und einer ausgeglichenen Work-Life-Balance zugeschrieben werden. Die Führungskraft von heute muss die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter kennen und in der Lage sein, angemessen darauf zu reagieren. Wer als Manager ausschließlich Überstunden fordert, ohne für die Gesundheit und das Wohlbefinden seines Teams zu sorgen, wird letztlich die Quittung dafür bekommen – gestresste, unmotivierte und unproduktive Mitarbeiter und ein angespanntes Arbeitsklima.
Die endogenen Faktoren beim Führen auf Senior Niveau – sprich, die Grundregeln menschlicher Interaktionen – hätten sich für Manager dagegen nicht geändert, meint Sascha Röber: „Es hilft weder dem Manager noch dem Mitarbeiter, immer die allerneuesten Managementtechniken auszuprobieren, bis diese wieder von noch neueren überholt erscheinen.“ Aufstrebenden Führungskräften gibt er daher ein paar Schlüsselkompetenzen mit auf den Weg, die für Manager damals wie heute unerlässlich sind.
Mit diesen Kompetenzen punkten angehende Manager immer:
1. Aufrichtigkeit: Sagen Sie Ihren Mitarbeitern, was Sache ist. Diese finden es ohnehin heraus. Besser also, sie erfahren es von Ihnen statt vom Flurfunk, der Personalabteilung oder aus der Presse.
2. Integrität: Befragen Sie ständig Ihr eigenes Wertesystem und handeln Sie danach. Stehen Sie zu Ihren Werten und kommunizieren Sie diese. So erzeugen Sie Kontinuität in Ihrer Führung, und das macht Sie berechenbar.
3. Berechenbarkeit: Ersparen Sie Ihren Mitarbeitern das Gefühl, nicht zu wissen, woran sie mit Ihnen sind. Das senkt den Stresspegel, und Sie werden als eine einzige Person wahrgenommen und nicht als zwei oder drei, von denen man nie weiß, welche davon heute ins Büro kommt.
4. Verlässlichkeit: Wenn Sie eine Entscheidung getroffen haben, dann führen Sie die sich daraus ergebenden Maßnahmen auch durch. Lavieren und Rumeiern sind schädlich fürs Betriebsklima und den Arbeitserfolg. Muss eine Entscheidung korrigiert werden, korrigieren Sie sie, aber erklären Sie auch, wie und warum sich die Welt geändert hat.
5. Empathie: Jeder Mensch hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Auch Ihre Mitarbeiter. Das hat Einfluss auf ihre Motivation und Leistungsfähigkeit. Wenn Sie es schaffen, mit Ihren Mitarbeitern in privaten Dingen über das Smalltalk-Stadium hinauszuwachsen und nach gewisser Zeit wissen, wie das dritte Kind von Frau X und der Hund von Herrn Y heißt, werden sich diese Ihnen gegenüber auch in beruflichen Zusammenhängen viel leichter öffnen. Echte empfundene Empathie schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist das sicherste Fundament für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
6. Führung: Man sagt heute oft Manager. Aber das deutsche Wort Führungskraft trifft es viel besser: Ihre Mitarbeiter erwarten eine klare Ansage von Ihnen. Gerade in Zeiten der Unsicherheit oder in Situationen, die zum ersten Mal auftreten, richten sich die Blicke auf Sie. Lernen Sie zu entscheiden, selbst wenn Sie nicht immer alles zu hundert Prozent und bis ins letzte Detail kennen und wissen. Und akzeptieren Sie dabei, dass Sie auch Entscheidungen treffen werden, die sich letztlich als falsch herausstellen.
Auf dem Portal Managerfragen.org können Sie die Antworten der befragten Manager noch einmal vollständig nachlesen. Dort erfahren Sie auch, in welche weiteren Diskussionen sich diese eingebracht haben. Wir bedanken uns für die hochinteressanten Perspektiven und Einschätzungen!
Image Credit: Lux Plus Ultra Studios B.V.